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13.06.2017

Auszeichnung für Brauplatz-Objekt

Auszeichnung für Brauplatz –

als vorbildliches Projekt der Innentwicklung gewürdigt

Eine besondere Auszeichnung wurde dem Projekt Brauplatz in Kaufungen zuteil. Das Projekt wurde als eines von 15 Best-Practice-Beispielen aus ganz Hessen in den neuen „Leitfaden zur nachhaltigen Innenentwicklung“ aufgenommen und als eines von zwei Beispielen bei der Veröffentlichung des Leitfadens am 12. Juni Wiesbaden in Anwesenheit von Hessens Umwelt- und Stadtentwicklungsministerin Priska Hinz präsentiert. Dazu war eine Delegation mit Bürgermeister Arnim Roß, dem Architekten Prof. Philipp Krebs, Iris Zimmermann vom Fachbereich Bauen & Umwelt des Landkreises Kassel, Georg Daher von der Baunataler Diakonie Kassel und Kaufungens Bauamtsleiter Jürgen Christmann nach Wiesbaden eingeladen.

Der Leitfaden geht auf einen Vorschlag der „Allianz für Wohnen in Hessen“ zurück, die 2015 von der Landesregierung ins Leben gerufen wurde und zu der verschiedene Ministerien, die Verbände der Wohnungswirtschaft, die kommunalen Spitzenverbände, Kammern, der Mieterbund und weitere Interessensverbände sowie die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen gehören. Für den Leitfaden hat das Planungsbüro Gute.Stadtplanung 150 Vorschläge aus Hessen bewertet. Die Vorschläge wurden von den Bauaufsichtsämtern der hessischen Landkreise und kreisfreien Städte gemacht. Aus diesen 150 Vorschlägen wurden 15 Beispiele für die Broschüre ausgewählt. Und von diesen 15 Beispielen wurden wiederum zwei ausgewählt, die im Rahmen der öffentlichen Vorstellung am 12. Juni in Wiesbaden präsentiert wurden. Das Projekt Brauplatz aus Kaufungen wurde dabei sowohl für die Broschüre ausgewählt als auch für die öffentliche Vorstellung. Kaufungen ist in der Broschüre die mit Abstand kleinste Gemeinde, die aufgenommen wurde. Ansonsten gibt es Beispiele aus Frankfurt, Kassel, Marburg, Wiesbaden, Darmstadt, Wetzlar und so weiter.

„Das ist eine schöne Würdigung dieses Projektes“, freute sich Bürgermeister Arnim Roß. Die städtebauliche Sanierung des Brauplatzes habe für die Entwicklung des Ortszentrums viele gute Impulse gebracht, so Roß. Er schilderte in einer Gesprächsrunde den Verlauf des Projektes und die positiven Wirkungen.

„Der neue Leitfaden zur nachhaltigen Innenentwicklung bietet Städten und Gemeinden, aber auch Planerinnen und Planern, fachliche Hinweise und konkrete Beispiele“, sagte die Hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Priska Hinz auf der Veranstaltung. „Die heute beispielhaft präsentierten Projekte aus Wiesbaden und Kaufungen zeigen, wie komplex die Herausforderungen bei der Innenentwicklung sein können, denn jeder Fall ist anders.

Zugleich wird an diesen beiden Kommunen deutlich, dass Innenentwicklung in kleinen und großen Städten sehr gut funktionieren kann“, betonte die Ministerin. In Kaufungen wurde die Innenentwicklung genutzt, um die Ortsmitte aufzuwerten und neue Attraktivität in den Ortskern zu bringen. „Das Beispiel gefällt mir besonders gut, weil es zeigt, wie wir dem Donut-Effekt, also dem Aushöhlen der Ortskerne, begegnen können“, würdigte Ministerin Hinz (https://www.hessen.de/presse/pressemitteilung/mehr-platz-fuers-wohnen-neuer-leitfaden-fuer-nachhaltige-innenentwicklung-0).

Architekt Krebs wies darauf hin, dass es für das Team eine besondere Aufgabe war, ein neues Gebäude mitten in einen historischen Kontext einzufügen. Er hob die wirtschaftliche Energieperformance des Gebäudes hervor und bezeichnete die Bauleistung als „eine Architektur, die zeigt, was das Handwerk kann“.

Hier seien Wohnungen für Menschen mit Behinderung geschaffen worden, die mitten im Ortskern, in gewachsenen Strukturen eine Möglichkeit zum nachbarschaftlichen Miteinander böten.

Hintergrund:

Im November 2012 hatte die Gemeindevertretung grünes Licht für die städtebauliche Sanierung des Brauplatzes gegeben, der als öffentlicher Altdorfplatz mit verschiedenen Versorgungs- und Dienstleistungsangeboten wiederhergestellt und gestaltet werden sollte. Das „Brauplatzprojektes“ war eine der zentralen Maßnahmen zur Aufwertung des Ortszentrums Oberkaufungen. Ziel der Stadtumbaumaßnahme war der Erhalt und die Stärkung des Oberkaufunger Ortszentrums als attraktiver Wohnstandort mit entsprechenden Versorgungs-, Dienstleistungs- und Gemeindebedarfsangeboten.

Eine zuvor erstellte Machbarkeitsstudie des Kasseler Planungsbüros ANP hatte gezeigt, dass die städtebauliche Sanierung am Brauplatz möglich und die Ansiedlung eines Nahversorgers sinnvoll wäre, den Ortsteil aufwerte und dem demografischen Wandel Rechnung trage. Der Brauplatz war damals in Privatbesitz. Die Grundstücke und Gebäude beherbergten eine stillgelegte Metzgerei, standen teilweise leer und waren von weiterem Leerstand bedroht. Eine besondere Herausforderung an die Neugestaltung war die Lage im historischen Ortskern, die eine enge Abstimmung mit dem Denkmalschutz erforderlich machte.

Mit der Baunataler Diakonie Kassel (bdks) wurde ein Investor gefunden, der die städtebaulichen Ziele über ein soziales Projekt, nämlich den Bau einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, realisieren wollte.

Die bdks ist ein kirchlich – diakonisches Sozialunternehmen mit eigenen Einrichtungen, sowie verschiedenen Beteiligungen. Der Verein gliedert sich in die Geschäftsbereiche Wohnen, Arbeiten und Suchthilfe. An ca. 70 Standorten in Kassel-Stadt und den Landkreisen Kassel und Schwalm-Eder gibt es Angebote der bdks. Für über 1.400 Menschen mit geistiger, seelischer und mehrfacher Behinderung bietet die bdks in 8 Städten und Gemeinden Arbeitsplätze in Werkstätten. Darüber hinaus gibt es weitere Standorte mit Dienstleistungsangeboten in der Region. In Integrationsbetrieben des Unternehmens sind 200 Menschen mit und ohne Behinderung tätig. Die bdks hat ein vielfältiges Wohnangebot. Fast 400 der ca. 1.000 Wohnplätze sind im Betreuten Wohnen. Insgesamt arbeiten und wohnen bei der bdks 3.000 Menschen mit und ohne Behinderung.

Die bdks suchte im Zuge einer konzeptionellen Weiterentwicklung nach dezentralen Standorten unter anderem im östlichen Landkreis Kassel. Die Flächen am Brauplatz sind aus ihrer Sicht wegen der ruhigen und dennoch zentralen Lage besonders geeignet. Neben dem Bau einer behindertengerechten Wohnanlage wurden durch die bdks auch Räume für einen Dorfladen als Nahversorgungseinrichtung geschaffen. Gleichzeitig wurde der Brauplatz als Dorfplatz durch die Gemeinde städtebaulich saniert, Ruhebänke wurden aufgestellt, Bäume gepflanzt, der Boden neu gepflastert und sanitäre und technische Infrastruktur für Veranstaltungen wie Märkte, Dorffeste usw. geschaffen.

Finanziert wurde das soziale Projekt aus eigenen Mitteln der bdks. Die Gemeinde Kaufungen hatte die Diakonieeinrichtung zuvor durch den Zwischenerwerb der Grundstücke und den Abriss der bestehenden Gebäude unterstützt sowie die Herstellung des eigentlichen Dorfplatzes, der im Besitz der Gemeinde geblieben ist, übernommen. Dafür hatte die Gemeinde eine Förderung von über 70 Prozent der Kosten aus dem Programm Stadtumbau in Hessen erhalten.

Pünktlich ein Jahr nach dem ersten Spatenstich konnte im Juli 2016 das Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Fleischerei im historischen Ortskern von Oberkaufungen feierlich seiner Bestimmung übergeben werden. Es verfügt über 16 Einzelzimmer, die jeweils mit Nasszellen ausgestattet sind, drei Appartements sowie über zwei große Aufenthaltsräume mit integrierter Küchenzeile. Der 2,2 Millionen teure Neubau bietet damit Platz für 19 Menschen mit Behinderung und wird von der Diakonie Hessen, dem Landeswohlfahrtsverband Hessen sowie von der „Aktion Mensch“ gefördert. Die neuen Bewohnerinnen und Bewohner kommen überwiegend aus Kaufungen und Umgebung.

In die Erdgeschossräume ist der Mitgliederladen für Biolebensmittel „MilaO.“ eingezogen. Das Geschäft wird als Mitgliederladen betrieben, in dem Kundinnen und Kunden einen regelmäßigen Mitgliedsbeitrag leisten und im Gegenzug Bio-Produkte zum Selbstkostenpreis erwerben können, die zum größten Teil von regionalen Produzenten stammen. Nicht-Mitglieder können zu üblichen Produktpreisen einkaufen. Eine Café-Ecke mit Büchertauschregal rundet das Angebot ab.

Die Einrichtung stellt einen bedeutenden Beitrag zur Inklusion in Kaufungen im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dar. Insofern ist bei dem „Sanierungsprojekt Brauplatz“ neben dem städtebaulichen Aspekt durch die Maßnahme der Diakonie auch die soziale Bedeutung getreten sei.

Das Gesamtprojekt der städtebaulichen Sanierung des Brauplatzes hat für die Entwicklung der Gemeinde und des Ortszentrums vielfältige Vorteile gebracht:

  • · Der Brauplatz ist als Altdorfplatz wieder hergestellt, sozusagen wie früher. Er ermöglicht in dieser Form nachbarschaftliche Begegnungen und die Wohnqualität an der Stelle ist deutlich erhöht worden.
  • · Das ehemalige Firmengelände wurde einer neuen Nutzung zugeführt und die Neubaumaßnahmen fügen sich harmonisch in das umgebende Ensemble ein. Drohende Leerstände wurden vermieden.
  • · Der Dorfladen MilaO, der eine zunächst ehrenamtliche Initiative aus der Gemeinde heraus ist und mit dem Innovationspreis der Gemeinde ausgezeichnet wurde, steht vor einem Professionalisierungsschritt und erhält durch das neue Ladenlokal die Chance zur Weiterentwicklung. Das vielfältige Warenangebot entlang der Leipziger Straße wird durch ihn ergänzt und abgerundet.
  • · Kaufungen hat mit der neuen Wohnanlage für Menschen mit Behinderungen eine soziale Einrichtung erhalten, die es bisher nicht gab.

Darüber hinaus hat das Projekt inzwischen Impulswirkungen entfaltet und zusätzliche Früchte getragen in Form von weiteren privaten Gebäudesanierungen in der Leipziger Straße, der Beseitigung von Leerständen durch Neuvermietungen und der Belebung des Ortszentrums durch Neueröffnungen von Läden mit innovativen Ideen bzw. mit Angeboten, die bisher nicht oder schon seit langem nicht mehr vorhanden waren (z.B. Schuhgeschäft, Café, usw.).