Museumstag 2008 - Eine Reise ins 18. Jahrhundert
AnStiftung zu Geschichte, Musik und Theater am Internationalen Museumstag
Zwei Kaufunger, die das 18. erlebten, kamen per Zeitreise ins 21. Jahrhundert: Christian Kersten, 1666 in Niederkaufungen geboren, studierte und wurde Erzieher der beiden Söhne des Landgrafen Karl; die Hobbydichterin Wilhelmine Rall lebte von 1768 bis 1839, führte in Oberkaufungen ihrem Bruder, der in Diensten der Hessischen Ritterschaft im Stift wohnte, den Haushalt und schrieb und veröffentlichte Gedichte. Winfried Wroz und Almut Weingart schlüpften am 18. Mai zum Auftakt des Internationalen Museumstags in Kaufungen in die Rollen des Prinzenerziehers und der Dichterin.
Peter Klein, Ulla Merle mit den Gästen aus dem
18. Jahrhundert Christian Kersten und Wilhelmine Rall
Das Gesamtprogramm des Tages gab einen Einblick in das Zeitalter der Aufklärung, es wurde organisiert von Gemeinde Kaufungen und Musikschule Söhre-Kaufunger Wald und war ein Beitrag zum Projekt „Anstiftung zu Geschichte Kunst Musik“, mit dem sich Kaufungen zeitreisend auf seine 1000-Jahrfeier 2011 vorbereitet. An diesem Sonntag konnte man in zahlreichen Veranstaltungen erfahren, wie sich das Leben auf dem nordhessischen Lande 1770 gestaltete, als Europas Bürgertum revoltierte, Vernunft und Toleranz als Grundlage des menschlichen Zusammenlebens propagierte, als Goethe und Lessing ihre emanzipatorischen Ideen verbreiteten, Mozart und Haydn in den Metropolen gefeiert wurden.
Die Ausstellung „Kam die Aufklärung nach Kaufungen?“ eröffneten Bürgermeister Peter Klein und Ausstellungsmacherin Ulla Merle vom Regionalmuseum. Sie vermittelt mit Hilfe umfangreicher Informationen und anschaulicher Ausstellungsobjekte einen Einblick in das Leben der Kaufunger vor 240 Jahren. Eine Original-Mägdetruhe zeigt, mit wie wenig Besitz eine Magd auskommen musste; eine Krücke mit ledernem Kopf für einen Alten oder Gehbehinderten ist eine besondere Leihgabe aus Haina, wohin auch die Kaufunger Pflegebedürftigen damals kamen. Als Immanuel Kant 1784 schrieb: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, bekamen die Kaufunger Bauern und Handwerker die Auswirkungen des Zeitalters zu spüren: Aufgrund des dem Merkantilismus geschuldeten Preisverfalls kam manch ein Kaufunger in den Regierungszeiten des aufgeklärten Landgrafen Friedrich II. in Not: Niederkaufunger Bauern versuchten mit der Leineweberei ihren Lebensunterhalt aufzubessern, manche Oberkaufunger Tuchweber gerieten ans Existenzminimum. Nur wenige auf dem Dorf hatten wie die Bürger die Chance, sich aus der Ordnung per Geburt herauszubegeben.
In den künstlerischen Beiträgen des „aufklärerischen“ Tages in Regionalmuseum und MitmachHaus stand die fantastische Musik der Klassik im Mittelpunkt: Das Theater Laku Paka zeigte eine auf das Maß eines Nähkästchens zurechtgestutzte Version der Mozart-Oper „Cosí fan tutte“, in der Kerstin Röhn als Kammerzofe Despina die Partnertauschgeschichte auch für Opernmeider zum 30-minütigen Genuss gestaltete.
Ein Streichquartett mit Lehrkräften der Musikschule Söhre-Kaufunger Wald brachte „Die kleine Lachmusik“, nach Wolfgang Amadeus Mozarts Kleiner Nachtmusik, und „Südamerikanische Saitensprünge“, orientiert an Joseph Haydn, zur Aufführung.
Musikwissenschaftler und Literat Jochem Wolff sowie Gitarrist Rainer Salwiczek-Pfeifer gaben einen ideengeschichtlichen und musikalischen Einblick in das Jahrhundert, das mit seinen sozialpolitischen und philosophischen Ideen die westliche Welt entscheidend geprägt hat. Als „große“ Namen seinen hier stellvertretend die Dichter und Philosophen Gotthold Ephraim Lessing und Jean-Jacques Rousseau genannt.
Das Programm zum Internationalen Museumstag 2008 wurde unterstützt vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Kulturstiftung der Kasseler Sparkasse.