Vortrag und Diskussion zu Rechtsextremismus in Nordhessen
Welche rechtsextremen Akteure und Strukturen gibt es derzeit im ländlichen Raum in Nordhessen? Inwiefern stellen diese eine Gefahr für die Demokratie dar - und was kann man tun, um diesen Gefahren entgegenzuwirken? Um diese Fragen ging es bei Vortrag und Diskussion mit Malte Lantzsch vom Mobilen Beratungsteam Hessen am Donnerstag, 10. Oktober in der Begegnungsstätte.
Bürgermeister Arnim Ross begrüßte die etwa 50 Interessierten, die der Einladung der Koordinierungsstelle „Engagiert in Kaufungen“ und des Gemeindevorstands gefolgt waren. Er betonte, wie wichtig es sei, den Bedrohungen der Demokratie etwas entgegenzusetzen. „In Kaufungen gibt es eine lange Tradition des Engagements gegen Rechtsextremismus, so wurde zum Beispiel vor einigen Jahren die Ansiedlung eines rechtsextremen Militariahandels verhindert“, so Ross.
Malte Lantzsch stellte die Arbeit des Mobilen Beratungsteams gegen Rassismus und Rechtsextremismus für demokratische Kultur in Hessen vor, deren Zielgruppe vor allem Menschen sind, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder dies vorhaben. Lantzsch und seine Kolleg*innen beobachten anlassbezogen die Akteure und Strukturen. Nach seiner Wahrnehmung spielen rechtsextreme Parteien und auch Kameradschaften derzeit keine wichtige Rolle. Es habe in den letzten Jahren in Nordhessen ein paar kleinere Gruppierungen wie die Scheiteljugend gegeben, und vor kurzem wurde nahe Melsungen ein Rechtsrock-Konzert veranstaltet. Doch tatsächlich seien es in seiner Wahrnehmung derzeit vermehrt Einzeltäter, die sich radikalisieren.
Allerdings sei die AfD inzwischen ein Sammelbecken für Menschen verschiedener Couleurs inklusive Rechtsextremer geworden. Auch Stefan Ernst, der Mörder von Walter Lübcke, sei AfD-Sympathisant gewesen. Die Neue Rechte kämpfe um den sogenannten vorpolitischen Raum. Es gehe ihren Anhängern darum, Meinungen zu produzieren und zu beeinflussen und so eine kulturelle Vorherrschaft zu gewinnen, die letztlich dazu dienen solle, Macht zu erringen. Aktuelle Beispiele wie rassistische Gesänge auf Partys, aber auch Gespräche am Gartenzaun und Meinungsmache in Facebook-, WhatsApp- und Telegram-Gruppen seien Teil dieser Strategie – diese gebe es auch in Nordhessen, und auch in Kaufungen.
In seiner Sozialraumanalyse zu Kaufungen und Umgebung berichtete Lantzsch über einige Vorkommnisse aktuelleren Datums. Dazu gehörte die Verteilung von Flyern mit verschwörungsideologischen Inhalten (2023), Aufkleber der Scheiteljugend, Konflikte alternativer Jugendlicher mit Rechten, Hakenkreuz-Graffiti oder das Zeigen des Hitlergrußes sowie aktuell vermehrt Aufkleber mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Inhalten an Straßenschildern und Tramhaltestellen.
Was kann man gegen die Aktivitäten von rechtsextremen und rechtspopulistischen Akteuren und für die Stärkung der Demokratie tun? Malte Lantzsch sagte, es sei wichtig, den Protest nicht den Rechten zu überlassen, sondern auf die Straße zu gehen und sich an die Politiker*innen zu wenden. Es sei gut, Bündnisse zu schließen und sich gemeinsam als Initiative, Netzwerk oder Verein vor Ort kontinuierlich dafür einzusetzen, Demokratie mit Leben zu füllen. Es gehe darum, hinzuschauen, wer etwa in örtlichen Facebook- oder Whatsapp-Gruppen Hass schüre, sich antidemokratisch äußere, und sich zu kümmern. „Dafür muss man auch dorthin gehen, wo es wehtut und sich den Mühen der Ebene stellen“, sagte Lantzsch. Bei rechtsextremen Vorfällen könne man sich Unterstützung bei Beratungsstellen suchen, und es sei wichtig, sich mit anderen Akteuren in der Region zu vernetzen und auszutauschen. Er empfahl den Teilnehmenden, auch in Kaufungen eine Gruppe oder ein Netzwerk zu gründen.
Im anschließenden offenen Austausch meldeten sich viele Teilnehmende zu Wort. Sie berichteten zum Beispiel davon, wie mühsam es sei, mit Menschen mit rassistischen oder menschenfeindlichen Weltbildern im Dialog zu bleiben. Gefragt nach guten Beispielen für aktive Netzwerke in der Region, berichtete Malte Lantzsch aus Wesertal-Gieselwerder, wo Menschen sich aktiv gegen rechtsextreme Akteure betätigen. Es wurden verschiedene Aktionen wie Demonstrationen oder eine Planwagenfahrt durchgeführt, und der Verein „Wesertal ist bunt“ wurde gegründet.
Auch in Kaufungen gibt es bereits verschiedene Akteure, die sich dafür einsetzen, dass Vielfalt sichtbar wird, dass Menschen mit verschiedenen Hintergründen in Austausch kommen und dass Blicke geweitet statt verengt werden. Auch das wurde an diesem Abend deutlich. Dazu gehören unter anderem Angebote der Kirchengemeinden, der Dorfbuchladen-Initiative, des Regionalmuseums, der Gemeindebücherei und der Koordinierungsstelle Engagiert in Kaufungen. „Angesichts der aktuellen Wahlergebnisse und der Erkenntnisse des Abends wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns gemeinsam für ein demokratisches Miteinander hier vor Ort einsetzen“, sagt Katharina Reinhold, Koordinatorin für Bürgerbeteiligung bei der Gemeinde Kaufungen.