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Rundgang durch Niederkaufungen

Den Rundgang durch den alten Ortskern von Niederkaufungen mit seinen idyllischen Gassen, malerischen Fachwerkbauten und Gehöftanlagen, beginnen Sie am besten am Parkplatz "Rohrweg/Steinertsee".

Der Name "Rohrweg" deutet auf feuchtes, sumpfiges Gelände hin. Noch um die Jahrhundertwende wurde hier Niedermoor-Torf hauptsächlich für den Hausbrand gestochen.

Sie haben einen herrlichen Blick auf den 233 m hohen Bergrücken des Hessler, der in den Jahren 1829/30 während der Amtszeit des Greben und Bürgermeisters (mit Einführung der neuen Gemeindeordnung 1834 nannte sich der Grebe nunmehr Bürgermeister) Aschermann mit 2400 Eichen bepflanzt worden ist.

Die 1826 aus Sandsteinen erbaute Ernbrücke (=Erlenbrücke) ist Anfang 1986 im Zuge der Tieferlegung der Losse saniert worden.

Der Steinweg

- sein Name weist auf die erste gepflasterte Dorfstraße hin - verläuft parallel zur Losse. Die Häuser Steinweg Nr. 23, 11 und 9 gehören wohl aufgrund der niedrigen Keller zur den ältesten dieser Häuserzeile.

Nicht immer plätschert die Losse so friedlich daher, wie Sie sie vermutlich gerade erleben. Oft verwandelten verheerende Unwetter sie binnen weniger Minuten in einen reißenden Strom und richteten schwere Schäden an. An der Rückseite des ehemaligen Feuerwehrgerätehauses, das an der Braubrücke steht, finden sich Hochwassermarken aus den Jahren 1871, 1890, 1969 und 1981.

Deshalb ist der Bachlauf der Losse seit dem Jahre 1980 tiefergelegt worden. Die endgültige Planung sieht auch eine Absenkung des Steinweges vor, um den historischen Zustand der unmittelbaren Nachbarschaft von Wasser und Straße wiederherzustellen und die Flutmulde zur besseren Sicherheit der Anlieger vor Hochwasser zu vergrößern.

Sie biegen ein Stück in die Bergstraße. Diese stellt ein uraltes Teilstück eines süd-nord-verlaufenden Höhenweges dar, an dem eine Klause stand. Klausen finden wir an den alten Wellwegen an schwierigen Stellen, wo Ausbesserungsarbeiten und unter Umständen ein Vorspann aber auch Unterkunft für die Elenden (so hießen im Mittelalter die Reisenden) geboten wurde, wie der hier im Volksmund überlieferte Name "Klauner" beweist.

Eine schmale Gasse hindurch, an den Fachwerkhäusern "Hinter der Kirche" Nr. 5, 3 und 1 vorbei, erreichen Sie den Kirchplatz; auf der linken Seite zwei alte Hofanlagen (Kirchplatz Nr. 2 und 4), auf der rechten Seite die spätgotische Kirche.

Die evangelische Kirche

Wann die Kirche erbaut worden ist, wissen wir nicht. Ein spätgotischer Bogen über der Tür und eine Rosette hoch im Giebel, Sakramentsnische im Chorraum (inzwischen zugemauert) und ein spätgotisches Schälchen für die Hostien beim Heiligen Abendmahl - dies alles deutet darauf hin, dass Niederkaufungen schon lange vor der Reformation eine Stätte der Verkündung und Anbetung hatte. Eine Inschrift an der Außenwand trägt die Jahreszahl 1615. Damals ist die Kirche offensichtlich erweitert worden. Vermutlich lag in diesem Bereich auch die Kemenate (=steinernes Haus).

Auf dem ehemaligen Friedhof vor der Kirche steht ein von Sträuchern umrahmter - für die hiesige Region seltener Grabstein, mit dem in Stein gemeißelten Familienbild des hochgeachteten 1647 geborenen Greben Johannes Werner. Die Inschrift ist nur noch mit Mühe lesbar. Sie sagt aus, dass Johannes Werner das Grebenamt (=Dorfvorsteher) inne hatte und 49 Jahre mit der "tugendsamen Frau Elisawetha, geborene Kersten" verheiratet war, die ihm 12 Kinder schenkte. Der Grebe ist mit 75 Jahren 1722 gestorben. Auf dem Grabsteinbild ist der Verstorbene groß und stattlich dargestellt. Im Bild rechts neben ihm seine Frau, kleiner als die drei Töchter Magdalene, Gertrud und Elisabeth im Stein verewigt. Links von ihm die Söhne Ludwig, Andreas, Johannes (mit Grebenstab) und Mattias. Fünf der Kinder sind zur Hälfte von kleinen Gestalten verdeckt, die auf ihrer Brust ein Kreuz tragen. Nach Jahrzehnten noch gedachte die Grebenfamilie so der klein verstorbenen fünf Kinder Hans-Jost, Christmann, Jost, Martha und Katharina.

Das Pfarrhaus neben der Kirche, 1805 als Schule erbaut, dient seit 1946 der Evangelischen Kirchengemeinde als Domizil. Niederkaufungen war bis zu dieser Zeit Filial von Oberkaufungen.

Die Grünanlage vor der im Volksmund genannten Lindenbrücke befindet sich an der Stelle des ehemaligen Dorfgerichtsplatzes. Unter der mit einer Mauer umgebenen Linde fand das dörfliche Rügegericht statt.

Die Gänserammel

Über die Mittelstraße gelangen Sie nach rechts zum neugestalteten Dorfplatz "Gänserammel" (hier nahm das Federvieh der umliegenden Höfe sein tägliches Bad) mit den 1829 erbauten Sandsteingewölbebrücken, die im Jahre 1982 saniert wurden, nachdem in 7 Jahre dauernden Verhandlungen mit dem Landkreis Kassel und dem Hessischen Straßenbauamt Kassel der Bestand dieser Brücken durch entsprechende Beschlüsse der Gemeindegremien gesichert werden konnte.

In der ehemaligen Öl- und Schlagmühle (Windhäuser Straße 6) der Familie Kersten ("Schlagmüllers" genannt) - schon um 1600 erwähnt - konnten die Einwohner ihre Ölgesäme, etwa Lein oder Bucheckern, zu Öl machen.

Gegenüber (Windhäuser Straße 11) befand sich seit 1846 das zweite Schulhaus.

Sie biegen in die Wilhelmstraße, die bis 1926 Bruchgasse hieß und auf versumpftes Gelände hindeutet. Erst jüngst wurden bei Kanalisationsarbeiten Reste eines alten Knüppeldammes gefunden.

Der Bonhof (Wilhelmstraße 3/7) ist eine der ältesten Hofanlagen.

Den Kirchweg hinunter, mit Resten einer alten Pflasterung - bereits zwischen 1780 und 1850 wurden die Niederkaufunger Gassen gepflastert - haben sie einen herrlichen Blick auf die Kirche und den dahinter steil aufragenden Bergrücken des Hessler.

Auch in Niederkaufungen sind zum Teil prächtige Fachwerkhäuser und Hofanlagen, die zum Typus der fränkischen Dreiflügelanlage gehören, erhalten. Wegen der großen Feuergefahr, die die Strohdächer boten, und veranlasst durch den Raubbau an unseren Wäldern, bestimmte der Hessische Landgraf Friedrich I. im Jahr 1739 durch eine Bauordnung, dass bei Neubauten das Fachwerk auf einer festen Mauerunterlage zu errichten sei.

Am klarsten ist die fränkische Anlage in dem Hof Wilhelmstraße 11 ausgeprägt:

Links steht das Wohnhaus mit Kraggebälk, Zwerchhäuschen und paarweise angeordneten Fenstern, im Winkel anschließend die 1863 durch Johann Jost Neuenhagen und dessen Ehefrau Anna Christine, geb. Althans, errichtete Scheune mit Giebelaufsatz und Ladeöffnungen in jedem Geschoss und unter gleichem Dach, mit hohem Steinsockel, der Stall. Ein voll massives Sockelgeschoss gar aus Sandsteinquadern besitzt der Schweinestall, dessen langgezogener hochragendschmaler Speicheraufsatz eine Fachwerkausmauerung in Sandstein erhalten hat.

Der Haferbach

Die Straße "Am Haferbach" hieß früher "Schlammgasse". Raten Sie einmal, warum wohl?

Der Haferbach war Flutmulde für die oberhalb der bebauten Ortslage gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen und sogar für einen geringen Teil des Kaufunger Waldes. Geologisch wissen wir aus dem Bau des Hauses der Gemeinde und der Haferbachhalle, dass unter der jetzigen Oberfläche eine 10 m mächtige Fließsandschicht vorhanden ist. Zwischen der Gastwirtschaft "Zum Lossestrand" (Allmeroth) und den Gehöftanlagen Kirchweg 6 sowie Am Haferbach 2 hindurch gehen Sie auf einem Teilstück des ehemaligen Mühlgrabens.

Auch einer ungünstigeren Grundstücksform kann sich der fränkische Hof anpassen, und was an Klarheit verloren geht, wird durch die um so malerische Entwicklung des Gesamtbildes ersetzt. Der Brethauersche Hof (Kirchweg 6) vermag dies zu verdeutlichen.

In der Mittelstraße ist ein Teil des parallel verlaufenden stillgelegten Mühlgrabens als Erinnerungsbauwerk erhalten geblieben. Die Wasserrechte wurden 1974 durch die Gemeinde abgelöst. Dies war durch Verlegung eines Hauptsammlers mit 2 m Durchmesser und komplettem Ausbau von Straße und Mühlgraben erforderlich geworden.

In dem früheren Spritzenhaus, das im Bereich des ehemaligen Feuerwehrgeräteshauses stand, befand sich eine Arrestzelle, in die der Bürgermeister über Nacht Diebe und Vagabunden einsperren konnte. Daher rührt auch der Volksmund: "Wenn Du nicht artig bist, kommst Du ins Spritzenhaus". Vorher stand hier bis 1820 das Brauhaus der Gemeinde.

Gegenüber dem ehemaligen Feuerwehrgerätehaus werfen Sie einen Blick in die Raiffeisenstraße mit ihren beiden malerischen Fachwerkhäuserzeilen. Die Raiffeisenstraße hieß ehemals "Totengasse", durch die sich die Leichenzüge bewegten, denn bis zum Jahre 1697 fanden alle Beerdigungen in Oberkaufungen statt.

Am Ende der Mühlenstraße steht die nahezu 500 Jahre alte Mahlmühle. 1956 wurde der Mühlenbetrieb aufgegeben. Vor der Mühle liegt ein für Niederkaufungen typischer alter Bauerngarten.

Der hinter der Mühle hochgelegene Wassergraben erinnert noch daran, dass diese ab 1764 oberschlächtig betrieben wurde.

An den Lossewiesen vorbei gelangen Sie am Rande eines Neubaugebietes zu dem Ausgangspunkt zurück.