Seiteninhalt
20.06.2013

Kundgebung A 44

Hunderte protestierten gegen den Bau der A 44: Abteilungsleiter des Verkehrsministeriums gibt vage Prognosen

Es war ein eindeutiges Signal der Einwohner des Lossetals Richtung Wiesbaden: Als ca. 400 Bürger am vergangenen Donnerstag auf einer Kundgebung vor der Integrierten Gesamtschule Kaufungen gegen den geplanten Bau der A 44 im Lossetal protestierten. „Uns eint die gemeinsame Überzeugung, dass die A 44 eigentlich gar nicht ins Lossetal gehört“, rief Bürgermeister Arnim Roß den Demonstranten zu. Aber man sei realistisch, räumte er gleichzeitig ein, und setze sich mit dem Thema auseinander „Wir haben konkrete Forderungen an das hessische Verkehrsministerium gestellt“, erklärte der Bürgermeister während der Protestaktion, „und wir erwarten, dass diese Forderungen Gehör finden.“ Wie sich die Gemeinde dann abschließend im Planfeststellungsverfahren positioniere, hänge davon ab, wie die Interessen der Gemeinden in das Verfahren eingearbeitet werden. Konkret wurde es bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit dem Abteilungsleiter im Hessischen Verkehrsministeriums, Günther Hermann, der Bundestagsabgeordneten Ulrike Gottschalck, Kassels Baudezernenten Christof Nolda, den HNA-Redakteuren Peter Ketteritzsch und Holger Schindler sowie den Bürgermeistern der Gemeinden Helsa und Kaufungen, Tilo Küthe und Arnim Roß. „Es gab Irritationen über den Wegfall der B7, warum hat das Land Hessen die Einwohner nicht informiert und warum plant es am Autobahnbau wie an einer Geheimsache?“, fragte Redakteur Ketteritzsch, der gleichzeitig die Podiumsdiskussion moderierte. Der Abteilungsleiter im Hessischen Verkehrsministeriums antwortete, dass das Land Hessen beim Autobahnbau lediglich in der Funktion eines Architektenbüros agiere und der Bund dann letztendlich die Entscheidungen treffe. „Der, der zahlt, der bestellt auch“, betonte Hermann entgegen einiger Rufe aus dem Publikum, die ihrem Unmut über den Informationsstillstand Ausdruck verschafften. Auf die Frage, wie die überarbeiteten Planungen des Landes Hessen, die momentan beim Bund vorliegen, genau aussehen, verwies der Mitarbeiter des Verkehrsministeriums auf die Punkte Erhalt des Trinkwasserbrunnens Kohlenstraße und mehr Lärmschutz, die in die überarbeiteten Planungen integriert worden seien. Der Erhalt der Bundsstraße 7 sei derzeit nicht berücksichtigt. „Das heißt aber noch gar nichts“, so Hermann. Offen blieb weiterhin auch, wann die Gemeinden konkret über den Planungsstand informiert werden. „Wir sitzen selber an der Seitenlinie“, fügte der Abteilungsleiter aus Wiesbaden hinzu. Genauere Informationen gab es von der Bundestagsabgeordneten Ulrike Gottschalck. Nach ihrem Kenntnisstand wolle das Bundesverkehrsministerium eher den Planungen des Landes Hessen folgen und nicht denen des Bundesrechnungshofes, die eine auf Kosten der Einwohner finanziell abgespeckte Autobahnvariante befürworten. Das wurde ihr in einem Schreiben aus Berlin mitgeteilt. Sie hoffe, so Gottschalck, dass man weitere Informationen über die Planungen noch vor September erhalte. Die Bürgermeister aus Helsa und Kaufungen machten sich an diesem Abend unter anderem für den Erhalt der Bundesstraße 7 stark, der nach Aussage von Günther Hermann in den überarbeiteten Planungen nicht enthalten sei. „Einen Umleitungsverkehr würden die alten Ortslagen nicht verkraften“, erklärte Roß. Außerdem dürfe man den Normalverkehr nicht unterschätzen, fügte Helsas Bürgermeister Tilo Küthe hinzu. Über die Abstufung der Bundesstraße 7 zu einer Kreisstraße und der jetzige Kreisstraße zwischen Helsa und Kaufungen zu einer Gemeindestraße könne man erst nach ausführlichen Gesprächen befinden, wenn das gesamte Planungspaket vorliege. „Solange wir keine umfassende Grundlage haben, können wir auch über solche Details nicht diskutierten“, sagte der Kaufunger Verwaltungschef. Der Abteilungsleiter aus Wiesbaden wies darauf hin, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Er habe die große Unzufriedenheit der Bevölkerung im Lossetal zur Kenntnis genommen und werde dies mit nach Wiesbaden nehmen. Auch die Autobahnanschlussstelle Kassel-Ost war Thema. Sie soll nach den derzeitigen Plänen entfallen und vor die Tore Niederkaufungens rücken. Das lehnen Bürgermeister Arnim Roß und Kassels Stadtbaurat Christof Nolda ab. Dies würde die Autobahnabfahrt Kassel Nord mit der Dresdner Straße völlig überlasten, erklärte Nolda. Kritisch äußerte sich Bürgermeister Arnim Roß in Hinblick auf Hermanns Aussage zur Rolle des Landes Hessen im Bauverfahren. „Jedes Architektenbüro sollte einen guten Draht zu seinem Bauherren haben.“ Insofern sei es Aufgabe des Landes, die notwendigen Klärungen mit dem Bund herbei zu führen. „Unser Ansprechpartner ist und bleibt das Land Hessen“, sagte der Verwaltungschef. Man wolle ernst genommen werden und endlich in das Planungsverfahren einbezogen werden. Das letzte Gespräch mit Verkehrsstaatsekretär Steffen Säbisch sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Es gäbe die Zusagen, die Pläne zu überarbeiten, um die Autobahnanschlussstelle Kassel-Ost in Papierfabrik sowie die Ortsumgehung zu erhalten. Außerdem bleibe auch der Brunnen Kohlenstraße erhalten. Darüber hinaus fordere die Gemeinde umfassenden Schutz vor Lärm und Schadstoffemissionen Diesen Prozess werde die Gemeinde kritisch, aber konstruktiv weiter begleiten und bleibe gesprächsbereit. „Dazu gibt es einen klaren Beschluss der Gemeindevertretung“, sagte Roß. Man verspreche sich von dem Verhandlungsweg am ehesten konkrete Ergebnisse, betonte der Bürgermeister. Sollte aber über die Gemeinden und die Bürger hinweg geplant werden, bleibe es bei dem Grundsatz „Keine A44 im Lossetal“. Nach der Podiumsdiskussion kamen auch die Bürgerinnen und Bürger zu Wort und äußerten sich kritisch gegenüber der aktuellen A44-Planung. So fragte Matthias Strube, Lastwagenfahrer aus Kaufungen, wie man sich das für die LKWs vorstelle, wenn der Umleitungsverkehr durch die Ortslagen geführt werde. „Es ist jetzt schon kaum möglich, mit einem Zwölftonner, ohne Verkehrsbehinderungen zu verursachen, durch Kaufungen zu fahren“, beklagte sich Strube. Günther Hermann antwortete, dass diese Argumente plausibel und nachdenkenswert seien. Dr. Martin Reinbold wollte wissen, was in punkto Emissionsschutz gemacht werde. „Ich habe das Gutachten zum Emissionsschutz selbst nicht gesehen“, entgegnete der Abteilungsleiter aus Wiesbaden. Aber im Zweifel könne man auch von den Bürgern vorgeschlagene Gutachter hinzuziehen. „In welchem Paragraphen steht, dass erst mit der Gemeinde gesprochen werde, wenn das OK aus Berlin gekommen ist? Kann man nicht früher mit den Betroffenen sprechen?“, fragte Angelika Großberndt, Fraktionsvorsitzende der SPD Kaufungen. Günther Hermann antwortete, dass man aus Beispielen wie Stuttgart 21 gelernt habe und die Bevölkerung informieren wolle, sobald etwas Konkretes aus Berlin auf dem Tisch liege.