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11.12.2020

»Grüße nach Kaufungen« - aus den Sammlungen des Regionalmuseums

Verschicken Sie in diesem Jahr (noch) Weihnachtskarten?
Vor hundert Jahren wurden bunte (Weihnachts-)Kartengrüße gern empfangen und offenbar auch aufgehoben. Das Regionalmuseum besitzt eine Reihe von Postkarten, die einer Niederkaufunger Lehrerstochter zwischen 1907 und 1912 zugesandt wurden. Darunter sind Weihnachtsgrüße von einem Herrn, der auch sonst eifrig mit dem „Fräulein“ korrespondierte. Wahrscheinlich war Minna B. begeisterte Postkartensammlerin – Verwandte und Freunde sandten ihr besonders schöne Exemplare zu: farbige (Kunst-)Lithografien, Landschaftsmotive, Fotos mit nachträglicher (maschineller)Kolorierung, geprägte Karten oder mit Glitter bestäubte und sogar solche mit Blumenduft.

Lebenszeichen
Eine andere Sammlung enthält Ansichten französischer Kirchen, Schlösser und Plätze. „Liebe Christa! Anbei wieder eine Karte für dein Album. Rund um diese Kathedrale ist alles im weiteren Umkreis zerstört. Das Bauwerk selbst ist unbeschädigt. .Herzl. Grüße und Küsse, auch an Mutti, dein Papa,“ steht auf einer dieser Karten aus dem von deutschen Truppen besetzten Beauvais vom 19.9.1942. Als sie 2011 ihr Album übergab, erinnerte sich die damals zehnjährige Oberkaufunger Empfängerin: „Bei uns auf der Nachbarschaft, da ist fast aus jedem Haus Einer gefallen…“ Mit den Bildern europäischer Kulturschätze hat der Vater versucht, die Verbindung zu halten und vom Grauen abzulenken.
„Uns geht’s noch gut“ heißt eine viel gebrauchte Floskel auch schon im Ersten Weltkrieg: „Wir sind unterwegs…“ schrieben zwei Soldaten wenige Tage nach Kriegsbeginn auf die in Dillenburg abgestempelte Karte mit einem Motiv aus der Frankfurter Altstadt – Feldpost durfte keine Ortsangabe enthalten. An Weihnachten 1914 war einer der beiden Oberkaufunger schon tot.
Auch vom Krankenhausaufenthalt, der Kur oder Reha wurde geschrieben: Wir verdanken zahlreiche Kaufungen-Ansichten dem Kommunikationsbedürfnis der PatientInnen der örtlichen Lungenheilanstalt.

Verabredungen
Die Postkarte war im 20. Jahrhundert Kommunikationsmittel zwischen unterschiedlichen Personen und zu vielerlei Anlässen: Denkmalpfleger und Kirchenbaurat verabredeten sich in den 1930ern postalisch zu einer kurzfristigen Besichtigung der Stiftskirchenrenovierung; und die Verwandtschaft gratulierte zum Geburtstag mit einer Besuchsankündigung zum Samstagskaffee.
1870 hatten viele deutsche Länder die „Correspondenzkarte“ als einfache, schnelle Information eingeführt. Zunächst schrieb man nur die Adresse auf die Vorder- und die Nachricht auf die Rückseite. Erst um 1890 setzten sich dekorative Karten mit Bildseite durch. Auch (schwarz-weiße) Atelierfotos – etwa Porträts von Verwandten und Freunden – wurden im frühen 20. Jahrhundert versandt. Und Geschäftsleute ließen sich von Fotografen Ortsansichten vervielfältigen, die sie ihren Kunden verkauften.

Grüße an Daheimgebliebene
Ansichtskarten ließen Andere teilnehmen am in der Ferne erlebten. Radler grüßten einen Vereinskameraden von ihrer Fahrt, Schülerinnen schrieben an ihre hiesige Handarbeitslehrerin, eine ältere Dame meldete sich 1953 von Bord des Überseedampfers, mit dem sie auf dem Weg zur in den USA lebenden Tochter war. Aus dem Gruppenurlaub wurde gegrüßt mit den Unterschriften der Mitreisenden… Heute schickt man schnell ein Bild per Smartphone – auch gern ein ‚Dagewesen-Selfie‘ – und macht den Lieben gar mit dem Blick auf das Restaurantessen die Nase lang.

Zeitzeugnisse
Vor der allgegenwärtigen telefonischen Erreichbarkeit waren Postkarten preiswerte, verfügbare Kommunikationsmittel für die Verständigung über Distanzen. Deshalb sind sie für das Regionalmuseum interessante Quellen zum Zusammenleben im vergangenen Jahrhundert.
Wir nehmen gern auch Ihre aufgehobenen Kartengrüße nach Kaufungen (oder Briefe) an und vielleicht erzählen Sie uns dazu, wer hier wem geschrieben hat…

Sie erreichen das Regionalmuseum Kaufungen derzeit postalisch über die Gemeindeverwaltung oder per Mail unter museum@kaufungen.de
und hoffentlich im neuen Jahr bald wieder zu den gewohnten Öffnungszeiten.