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22.08.2011
Sternenreise
Eine musikalisch-literarische Sternenreise in der Stiftskirche
Für den Rest des Abends setzte dann Reinhard Schimmelpfeng mit Obertonmusik die musikalischen Akzente. Er erklärte zu Anfang, was Obertonmusik sei: So wie sich Licht aus Spektralfarben zusammensetze, so sei die Obertonmusik die „Spektraltöne“, die reine Essenz des Klanges. Verschiedene Instrumente aus Ländern wie Indien, China oder Australien, würden diese Musik ganz besonders betonen. Dann gab er eine erste Kostprobe seiner nicht alltäglichen musikalischen Fähigkeit mit Variationen über Hildegard von Bingen, die auch Musik geschrieben habe. Unterstützt wurde sein Gesang von einer Shruti-Box, einer indischen Drehleier.
Die Töne der Obertonmusik schwebten durch das Gewölbe der Stiftskirche, schwerelos, geheimnisvoll und merkwürdig vertraut. Man schloss unwillkürlich die Augen, um sich diesem Empfinden intensiv hinzugeben. Füße scharren, hüsteln, wispern oder das Knacken von Stühlen waren dabei überlaut wahrzunehmen.
Zwischen den verschiedenen Obertonmusikstücken gab es literarische Kleinode, vorgetragen von Gisela Brackert und Bernd Hölscher. Sie reichten vom Schöpfungsbericht in der Genesis, über Goethe, Shakespeare, Matthias Claudius und Hans Carossa bis hin zu Ingeborg Bachmann. Besonders eindrücklich waren das Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff, dessen bekannteste Zeilen „Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.“ wohl die meisten schon einmal gehört haben, aber auch „Ein neues Loblied“ (nach Psalm 19) des Astrophysikers Arnold Benz, in dem es unter anderem heißt: „In jedem Augenblick stirbt Altes, entsteht Neues, entwickelt sich die Welt.“
Den Abschluss des außergewöhnlichen Konzertes in der Stiftskirche gestaltete Reinhard Schimmelpfeng gemeinsam mit den Zuhörern, indem er sie aufforderte, mit ihm zu singen. Und tatsächlich: Nach seiner Vorgabe zogen bald „O’s“ und „A’s“ durch die Kirche, die miteinander verschmolzen und durchaus in die Nähe von Obertönen kamen.